Zum Tag der deutschen Einheit, an dieser Stelle das Nachwort von DIE REPUBLIK (als Maxim Voland), weil ich das Gefühl habe, es ist immer noch aktuell….
„Ein neuerliches Aha-Erlebnis brachten mir die Recherchen zum Roman obendrein.
Denn bei aller Freude über die Wiedervereinigung wurde mir im Zuge des Projekts noch mal klar, dass es sich für viele ehemalige DDR-Bürgerinnen und –Bürger nach dem Ende des Freudentaumels mehr wie eine Übernahme denn ein Zusammenwachsen anfühlen musste.
Niemals war die Rede davon gewesen, über eine gemeinsame Verfassung nachzudenken. Aus zwei Staaten einen dritten neuen zu formen. Die Menschen aus der DDR mussten sich nach den bestehenden Regeln des Westens richten. Denn die waren gut. Punkt.
Es erwies sich jedoch, dass nicht alles gut war und dass auf die Bürger der ehemaligen DDR eklatante Umwälzungen zukamen, mit denen man aus meiner Sicht anders hätte umgehen müssen.
Für Millionen Menschen der DDR galten die alten Spielregeln nicht mehr. Galt nichts mehr, was sie mitunter ein Leben lang erfahren und gelernt hatten. Daraus resultierte bei Jüngeren häufig Vorfreude auf neue Freiheiten, bei vielen Älteren aber große Ungewissheit und Unsicherheit: Was wird nun aus uns?
Ein komplettes Volk, dem anstelle der sturen SED-Funktionäre plötzlich mitunter wenig verständnisvolle Westdeutsche gegenübersaßen, um die „marode Wirtschaft“ auf Vordermann zu bringen. Vom real existierenden Sozialismus in den Turbokapitalismus. Mitreißend, verändernd, ob gewollt oder nicht.Reihenweise machten die Betriebe dicht, die Wende brachte für viele das Arbeitsplatz-Ende – und gerade der Arbeitsplatz bedeutete im Osten Identität, war manchmal sogar der Mittelpunkt des Lebens. Wie die Sowjets damals für Reparationsforderungen ganze Industriezweige abgebaut und weggeschafft hatten, so gingen durch die Umstrukturierung der Wiedervereinigung erneut Werke verloren oder wurden ins Ausland oder an Privatinvestoren verscherbelt. Angst vor Abstieg und realer Abstieg waren die Folge.
Wirtschaftlich, kulturell, familiär, es wandelte sich überall. Unaufhaltsam. Wen vermag es da verwundern, wenn sich „im Osten“ ein seltsames Gefühl einstellte und ein gewisses Misstrauen blieb?
Auch der Zusammenhalt, das Miteinander, einst oft bedingt durch das aus der Mangelwirtschaft geborene Improvisationstalent – wenn einer dem anderen etwa für „blaue Fliesen“ oder eine Gefälligkeit seltene Bückware beschaffen konnte –, wurden nicht mehr gebraucht.
Nein, früher war es nicht besser.
Es war keinesfalls besser.
Es war anders – denn es war ein anderer Staat mit anderen Maßstäben.
In Ruhe leben konnte, wer sich mit dem DDR-System arrangierte oder aktiver Teil davon war; die anderen hielten aus, hielten durch, bis es zu viel wurde und sich in einer friedlichen Revolution entlud. Zu Recht. Die schier unendlich vielen Stasi-Akten und -Überbleibsel legen Zeugnis über die Methoden von der staatstragenden Bespitzelung ab.
Dann kamen die Veränderungen, die Öffnungen.
Sicherlich, es gab in bestimmten Bereichen Übergangsregelungen. Allerdings wurde damals auch vieles von den Westpolitikern versäumt oder schlicht nicht gesehen, nicht bedacht. Und manche dieser Versäumnisse haben sich viele Jahre danach gerächt. Auch auf politischer Ebene.
So werden die Anstrengungen auf allen Seiten weitergehen müssen, etwas besser und mehr zu verstehen. Auch nach so vielen Jahren…“